Das Oberlandesgericht Stuttgart (Aktenzeichen 5 Ss 198/10) hat sich in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung mit der Frage auseinander gesetzt, ob allein aufgrund der Feststellung einer deutlich über dem Grenzwert von 1,1 ‰ liegenden Blutalkoholkonzentration (BAK) (im konkreten Fall hatte der Fahrer eine BAK von 1,92 ‰) auf den Vorsatz im Rahmen der Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) geschlossen werden kann.
Dies verneinte das OLG Stuttgart und hob das Urteil des Amtsgerichts auf. Zugleich verwies es die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des selben Amtsgerichts zurück.
Das Amtsgericht hatte den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr verurteilt und ihn zu einer Geldstrafe verurteilt. Zugleich hatte es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist festgesetzt.
In der Verhandlung vor dem Amtsgericht hatte der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch und keine Angaben zum Sachverhalt gemacht. Er gestand demnach auch nicht ein,
dass ihm seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit bekannt gewesen sei oder er sie für möglich gehalten und gebilligt habe.
Zur Feststellung, ob diese Voraussetzung vorlag, war daher ein Rückgriff auf andere Umstände notwendig.
Das Amtsgericht hatte dies mit der deutlich über dem Grenzwert liegenden BAK und aus dem Umstand begründet, dass der Angeklagte keine entlastenden Umstände geltend machte.
Dem widersprach das OLB jedoch. Es gibt keinen Erfahrungssatz, der den Rückschluss zulässt, dass derjenige, der eine erhebliche Menge Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit kennt. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten um auf ein vorsätzliches Handeln zu schließen.
Weiter führte das OLG aus, dass hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen ist, dass sich die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit mit steigender Alkoholisierung verringert, so dass die Fähigkeit, die eigene Fahruntüchtigkeit zu erkennen, beeinträchtigt werden.
Im konkreten Fall konnte auch aus dem Blutentnahmeprotokoll keine Indizwirkung auf den Vorsatz geschlossen werden. Das Entnahmeprotokoll sprach von „allenfalls dezenten Ausfallerscheinungen“, die zu dem Gesamteindruck, der Angeklagte stehe „äußerlich lediglich leicht unter Alkoholeinfluss” führten. Auch das Fehlen von Ausfallerscheinungen trotz hoher Blutalkoholkonzentration kann darauf schließen lassen, dass sich der offensichtlich alkoholgewöhnte Angekl. für fahrtüchtig .
Schließlich stellte das OLG fest, dass auch andere Geschehensabläufe, die auf eine fahrlässige Begehungsweise schließen lassen, denkbar wären, so etwa ein sog. Sturztrunk unmittelbar vor Fahrtbeginn.
Sollten in der nunmehr durchzuführenden neuen Verhandlung vor dem Amtsgericht keine weiteren Feststellungen getroffen werden können, die den Schluss auf eine vorsätzliche Verwirklichung des Tatbestandes der Trunkenheit im Verkehr tragen könnten, wird dem Angeklagten lediglich vorzuwerfen sein, dass er aus Fahrlässigkeit nicht erkannt hat, dass er infolge des Genusses alkoholischer Getränke zur sicheren Führung seines Fahrzeugs nicht in der Lage war.